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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 11.Januar 1936
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Addis Abeba, 30. November 1935. Das ethiopische Etappenwesen.
Das, was man unter „Etappenwesen“ einer modernen oder auch nur halbwegs modernen Armee versteht, darf, um es von vornherein zu sagen, hier nicht erwartet werden, schon deshalb nicht, weil man eine militärische „Verwaltung“ als Institution der Friedenstruppe gar nicht kennt. Es gibt zwar auch in Friedenzeiten das Kriegsministerium. Das aber beschäftigt sich nur mit Ankauf und Lagerung des allereinfachsten Heeresbedarfs und mit den primitivsten Mobilmachungsvorarbeiten., die kaum hinausgehen über Feststellung der Zahlen der Soldaten, über die die einzelnen Provinzgouverneure verfügen, sowie der in den Provinzen vorhandenen Waffen und Munitionsmengen. Die Beamtenschaft des Kriegsministeriums übersteigt dem Arbeitsumfang gemäß kaum die Zahl von 24 Personen. Der Krieg und seine Anforderungen an Nachschub sowohl von Heeresmaterial, Munition usw. wie von Verpflegung haben die ethiopische Heeresleitung (das sind der Kaiser, der Kriegsminister und die Kaiserlichen Berater) natürlich gezwungen, wenigstens so etwas Aehnliches wie ein Etappenwesen schleunigst aufzustellen. Was im Rahmen moderner Kriegführung ganz einfach unmöglich wäre, hier ist es möglich in Anbetracht der von mir an anderer Stelle schon betonten Anspruchslosigkeit des ethiopischen Kriegers in jeder Richtung, insbesondere aber in Bezug auf Verpflegung. Naturgemäß wäre es wenn nicht nur die allererste Aufstellung, sondern die gesamte Organisation und Leitung des sogenannten Etappenwesens Aufgabe des Kriegsministers wäre. Das aber ist hier merkwürdigerweise nicht der Fall. Der Kriegsminister hat sich vielmehr an die Nordfront begeben, um an dieser entscheidenden Stelle den Oberbefehl zu übernehmen. Und sein „Ministerium“ hat nach Fortgang seines Chefs allem Anschein nach seine Funktionen so gut wie gänzlich eingestellt und befindet sich im wesentlichen auf – Urlaub! |
Diese Getreidemengen erhielt die Regierung von den Provinzgouverneuren, die sie abzuführen hatten aus den Naturalabgaben ihrer Bauern. Sobald dann Truppen in der betreffenden Grenzprovinz zusammengezogen sind und ihren Bedarf an Verpflegung (d.i. „Sinde“ = Weizen und „Schimbora“ = Kichererbsen, beide in geröstetem Zustande genossen und so „Kollo“ genannt) den Depots entnehmen, werden letztere unverzüglich immer wieder aufgefüllt. Der Transport der Verpflegung aus den Magazinen zu den Fronttruppen geschieht durch Maultier- und Eselkarawanen, die ihre Ladung bis wenige Kilometer hinter die Front bringen. Dort wird von Frauen und Halbwüchsigen aus der Bevölkerung, auch Sklaven und Sklavinnen das Getreide geröstet, seltener auch zwischen Steinen zu Mehl zerreiben und zu Brot verbacken. Die so genußfertig gemachte „Verpflegung“ wird alsdann von Trägertrupps in Ledersäcken, den sogenannten „Silitschas“, in die vorderste Linie – wenn man hier einen derartigen Ausdruck gebrauchen darf – gebracht. Fleisch erhält, wie früher gesagt, der ethiopische Krieger höchst selten und genießt es dann nur in rohem Zustande, gewürzt mit „Berberi“ (capsicum lengum), dem ethiopischen roten Pfeffer. Die Versorgung der Kampftruppen mit Wasser geschieht ebenfalls durch Trägertrupps, die das Wasser in Kürbisflaschen (den „Dubas“) oder in Tonkrügen (den „Gombas“) vorbringen.
Der Nachschub an Munition und Waffen geht für die Nordarmee ausnahmslos über Addis-Abeba, seitdem die große Straße zur Nordfront über Deßje hinaus für Kraftwagenverkehr brauchbar geworden ist. Ueber hundert Lastwagen – hier „Camion“ genannt – stehen für diese Transporte zur Verfügung. Nördlich Deßjes werden die Camion-Ladungen von ständig bereit gehaltenen Karawanen übernommen und so den Stellen der Front zugeführt, die für den Empfang vorgesehen sind. In gleicher Weise erfolgt von Addis Abeba aus die Versorgung der Kräfte in den Provinzen Sidamo und Bali. Die in Ogaden konzentrierten Massen dagegen erhalten ihren Ersatz von Waffen und Munition unmittelbar aus „Britisch Somaliland“, wo sie im Hafen von Berbera ausgeladen werden, während der Antransport über das französische Djibouti nahezu aufgehört hat. Den Lastenverkehr zwischen Berbera und der Zentrale Djigdjigga unterhalten über hundert Lastwagen. Dann und wann schließlich – natürlich nur in den Fällen, wo das sich aus Gründen besonderer Wichtigkeit und Eile rechtfertigt – werden auch Flugzeuge in den Dienst des Nachschubwesens eingestellt. Ein „Depot“-Wesen für Waffen und Munition (mit Ausnahme eines ganz unbedeutenden Depots in Addis Abeba) gibt es seit Kriegsbeginn in der ethiopischen Heeres-Organisation nicht, und zwar ganz einfach deshalb nicht, weil alles, was an Waffen und Munition eintrifft, dem bestehenden Mangel gemäß allerschleunigst und unmittelbar den Truppen zugeführt werden muß. Es ist klar, daß die beschriebene, höchstprimitive „Organisation“ (als eine solche ja kaum zu bezeichnen) des Nachschubes sowohl hinsichtlich der Verpflegung wie hinsichtlich Bewaffnung und Munition alles andere eher ist als etwa ein Idealzustand. Doch sie geht eben Hand in Hand mit den höchstprimitiven Gesamtverhältnissen und tut im Rahmen dessen immerhin ihren Dienst. |
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Addis Abeba, 1. Dez. 1935. Das ethiopische Sanitätswesen.
Das Sanitätswesen der ethiopischen Armee ist wohl der kritischste Punkt in der gesamten Heeresorganisation. Noch heute ist kein ethiopischer Soldat mit selbst nur der allereinfachsten Sanitätsausstattung, dem Verbandspäckchen, bedacht. Der Kaiser hatte die Bedeutung der sanitären Frage für die Armee lange vor dem Kriege schon erkannt. Vor mehr als Jahresfrist berief er zur Organisation eines Heeres-Sanitätswesens den griechischen Sanitäts-Oberstleutnant Dr. Argyropoulos, der zunächst einmal den Aufbau des Sanitätsdienstes der Kaiserlichen Garde übernahm. Bis vor fünf Monaten gab es in ganz Ethiopien 5 Militärärzte. Das waren: |
Anfang November erschien aus Genf der Delegierte des Internationalen Roten Kreuzes, Dr. Sidney Brown, der endlich dem beschämenden Schlendrian der „Rote-Kreuz“-Wirtschaft in Ethiopien ein Ende bereitete und dafür sorgte, daß nunmehr in schneller Folge – bisher sind es ihrer 6 – Feldlazarette an die Front abgingen, und zwar jedes dieser Feldlazarette versehen mit 1-2 weißen Aerzten, 1-2 weißen Krankenpflegern und 15-20 ausgebildeten ethiopischen Krankenträgern. Kriegslazarette wurden – und zwar von den in Ethiopien arbeitenden Missionen – eingerichtet: In Harar 2 (im dortigen französischen und schwedischen Hospital), in Djigdjigga 1 (in dem dafür neu eingerichteten amerikanischen Hospital), in Dessje 1 (im Hospital der Adventisten-Mission).
Die Tätigkeit der Feldlazarette an der Front steht vor Ablauf von etwa vierzehn Tagen nicht zu erwarten, da sie – erst im Laufe der zweiten Novemberhälfte in Marsch gesetzt – ca. acht bis vierzehn Tage Marsch haben und natürlich wenigstens kurze Frist benötigen zu ihrer Installation. Im Anfang des November trafen auch die ersten Sendungen von Medikamenten, Verbandstoffen und ärztlichen Instrumenten vom Internationalen Roten Kreuz ein, etwa zugleich das von der ethiopischen Regierung in Europa gekaufte allerdringlichste Sanitätsmaterial. Unverzüglich und restlos ist das gesamte Material an die Fronten abgegangen, so daß – demnächst! – mit einer ersten sanitären Hilfe dort gerechnet werden darf. Daß die bisher entsandten Feldlazarette und Ambulanzen für eine Armee, die heute an allen Fronten über eine Million Krieger zählt, kaum anderes darstellen als einen Tropen Wasser auf einen heißen Stein, braucht nicht gesagt zu werden, im Verfolg dessen auch nicht, daß immer noch die Haupt-„Aufräumarbeit“ auf den Schlachtfeldern das vergnügliche Völklein der Hyänen, Schakale und Geier leistet. |
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