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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 19. Oktober 1935
24.

Addis Abeba, 13. Sept. 1935.

Silvester-Feier auf der Deutschen Gesandtschaft am … 12. September 1935.

„Silvester“-Feier? – Jawohl, d.h. die Feier der ethiopischen, also griechisch-orthodoxen, Jahreswende. Der deutsche Gesandte, Minister Kirchholtes, und seine charmante Gattin hatten einige intimere Gäste des Hauses dazu eingeladen. Es war gegen 21 Uhr. Auf dem Parkplatz rückseitig des Gesandtschaftsgebäudes brannte ein Feuer. Dann – aus der Tiefe des Parkes – näherten sich Gesang, aus dem ein Refrain sich immer deutlicher heraushob, näherten sich Lichter, Fackeln aus dürrem Reisig, näherte sich eine sich rhythmisch bewegende Menge – die gesamte ethiopische Angestelltenschar der Gesandtschaft. Und nun tanzen sie um das Feuer auf dem kleinen Platz herum mit immer dem gleichen Gesang, der, obwohl er sich in gar nicht so vielen Tönen bewegt, doch unser Ohr nicht so fremdartig und „katzenjämmerlich“ berührt, wie sonst die Weisen der Lieder im Orient. Der Sinn des Sanges ist in kindlichster Form der Hinweis auf den Wechsel von Regenzeit zur bevorstehenden Trockenzeit, jetzt, wo schon die „Maskal“ (Kreuz)-Blumen (gelbliche Blumen, die vor Ausgang der Regenzeit zu blühen beginnen) blühen und das ersehnte Ende der Regenzeit künden. Und sie singen vom Wechsel der Jahre und wünschen den Segen Gottes für das neue Jahr. Auch der Solo-Tänzer fehlt in der hüpfenden oder mit gebogenen Knien einherstampfenden – man hört freilich wenig davon, da ja nur nackte Füße den weichen Boden schlagen – Schar nicht.

Wie ein Teufel will er uns scheinen, der schwarze Krieger mit dem löwenhaarbesetzten Kriegerkopfschmuck, dem silberbeschlagenen Schild, dem krummen Ethiopierschwert, das – im Gürtel steckend – wie ein Schwanz ihm nach hinten wegsteht, und schließlich dem mit der Rechten geschwungene Speer. Rauhe Kriegsrufe sinds, die er nach alter Volksweise ausstößt; Kriegstanz ist sein Schreiten, Stampfen, mit rückwärtsgeworfenem Kopf Springen. Es ist das Neujahrsdenken eben des – Krieges. Das Feuer wird dunkler; der brennende Haufen sinkt in sich zusammen. Ein Wink des Gesandten – die Schar schweigt und hält reglos vor ihm. Schlicht, und das Herz treffend, wie es seine Art und Kunst ist, sagt der Minister seinen schwarzen Leuten seine Neujahrswünsche. Und er sagt ihnen, daß er Freude an ihnen gehabt habe, und lobt sie. Aber auch eine leiste Warnung enthalten seine Worte, wohl in Hinsicht auf den immerhin möglichen Ernst der Lage, die Warnung vor Zuchtlosigkeit, der er hart und rücksichtslos zu begegnen wissen würde. Und dann entläßt er mit nochmals herzlichen Wünschen für das neue Jahr die schwarze Schar zur Feier im Kreise ihrer Familien. Der erste Tag des neuen Jahres wird noch die zahlreiche Kinderschar zur Gesandtschaft führen, die dort mit Süßigkeiten erfreut wird. – Es war allmählich kühl geworden. Die Gäste der Gesandtschaft begrüßen dankbar den duftenden Rotweinpunsch, zu dem Sandwichs gereicht wurden.

Und wie immer bei diesen Abenden im gastlichen Hause des deutschen Gesandten, so dauerte es auch diesmal nicht lange, bis mit gütigem Lächeln der Hausherr dem Bitten seiner Gäste nachgab und als schönsten Genuß des Abends ihnen seine Kunst am Flügel bot, in der er nicht minder Meister ist wie auf der Klaviatur des diplomatischen Spieles, das ganz gewiß zur Zeit kaum irgendwo in der Welt komplizierter und schwieriger ist als gerade hier im – afrikanischen Wetterwinkel.


25.

Addis Abeba, 16. Sept. 1935.

Igesu und Wonderat.

Wer oder … was ist’s? – Keine Firma. Es sind zwei ethiopische „Dedjasmatsche“, d.h. etwa „Generale des Zentrums“, beide alte Menelik-Leute, der letztere verwandt mit der heutigen Kaiserin, beide auch heute Mitglieder des Thronrates. Igesu hatte auf einer Europareise lange vor Kriegszeit das kaiserliche Deutschland besucht und war in Berlin von der deutschen Regierung als Abgesandter des Kaisers Menelik mit allen Ehren eines Gesandten aufgenommen worden. Das hat er nie vergessen; und heute noch spricht er gern von diesem seinen Aufenthalt in Deutschland. Als dann der Krieg die deutsche Gesandtschaft auch in Ethiopien von der Heimat abschloß, geriet sie naturgemäß bald auch in geldliche Bedrängnis. In dieser Zeit wurde es wesentlich, einen deutschen Kurier mit geheimen Dokumenten über Arabien und Türkei nach Deutschland zu senden. Die Kosten einer Reise unter den hier vorliegenden Umständen waren selbstverständlich außerordentlich hoch zu veranschlagen. Die deutsche Gesandtschaft war gezwungen, sich im geheimen die nötigen Mittel als Darlehn zu beschaffen.

Als Igesu und Wonderat von dieser Notlage der Deutschen hörten, erboten sie sich unaufgefordert, die nötige Summe aus eigenen Mitteln vorzustrecken. Igesu gab 20 000 Thaler, Wonderat 30 000, nach damaligem Geldstande ungefähr 120 000 Mark. Beide verzichteten gegen Handschlag des damaligen Gesandten auf Quittung und ausdrücklich auf Zinszahlung.

Nach Kriegsende haben beide ihr Geld selbstverständlich zurückerhalten. Wie hoch aber die damalige Tat der beiden Ethiopier zu werten ist, läßt sich nur beurteilen unter dem Gesichtspunkt der damaligen ungeheuerlichen Entfaltung und Macht der Entente-Propaganda gegen Deutschland. Es war ein Akt nicht nur selbstlosester Freundschaft, sondern zugleich ein solcher immerhin nicht unerheblichen Mutes, wurde damals doch sogar der von der Entente wegen seiner Deutschenfreundlichkeit gehaßte Regent, Lidj Yassu, eben von den Drahtziehern der Entente dergestalt gestürzt, daß man gegen ihn eine Revolution inszenierte.

Igesu und Wonderat sind auch heute noch Deutschlands treue Freunde. Wir dürfen hoffen, daß die beiden alten Herren das Jahr 1936 und in diesem ein Gedenken des heutigen Deutschlands erleben für die Hilfe, die sie vor 20 Jahren dem alten Deutschland in schwerster Notzeit geleistet haben!


26.

Addis Abeba, 22. Sept. 1935.

Tierschutz in Ethiopien.

Kaum irgendwo auf unserer guten Erde hat man diesem Begriff bisher weniger Verständnis entgegengebracht als gerade hier. Ich mag die furchtbaren Szenen grausamster Tierquälerei und die selbst dem Abgehärtetsten ins Herz schneidenden Bilder de gepeinigten Tiere nicht schildern. Man würde meine Darstellungen schwerlich selbst nur für ernst nehmen. Griff man aber einmal ein und suchte man den Leuten klar zu machen, wie roh und unwürdig ihre Handlungsweise sei, – verständnisloses Grinsen, im innersten Inneren wohl der Gedanke: Verrückter Fremde! Hier predigte man tauben Ohren. Hier gab es keine Resonanz, aber auch nicht die allerleiseste. Man sprach ir einmal etwas von einem „Tierschutz-Verein“. Wie leider so oft, repräsentiert diesen eine alte, ein wenig verschrobene Dame; und außerdem erstreckt er sich kaum über den Bereich der – kaiserlichen Tierhaltung hinaus. Na, und nach der Zahl der Vereinsmitglieder habe ich vorsichtshalber schon gar nicht erst gefragt.

Jetzt aber soll das anders werden. Der prächtige Gouverneur von Addis Abeba hat seinerseits eingegriffen und als höchster Polizeigewaltiger die Frage Tierschutz damit zu einer behördlichen Angelegenheit gemacht, hinter der der ganze wuchtige Nachdruck seiner gefürchteten Strenge und Wachsamkeit stehen soll. Ein energischer, in seiner Auswirkung gerade hier gar nicht hoch genug einzuschätzender Schritt, dessen Ausdruck der folgende amtliche Erlaß ist:

Réglement
Contre les mauvais traitements infligés aux animaux.

Considérant que la cruauté et les mauvais traitements infligés aux animaux domestiques apprivoisés et utiles á l’homme sont incompatibles avec la dignité humaine, la MUNICIPALITÉ D’ADDISABEBA informe le public qu’il est formellement interdit de maltraiter les animaux. Quiconque transgressera le present Réglement et violentant les animaux sera sévérement puni ainsi qu’il est établi ci-dessous.

Article I. Tous mauvais traitements infligés aux animaux sont interdit, particuliérement de les charger trop plus lourdement que ce que leurs forces peuvent supporter et, également, de les faire travailler alors qu’ils sont attaint de maladies ou deblessures.

Article II. Quiconque enfreindra le Réglement di-dessus et commetra des actes de cruautés envers les animaux sera passible d’une amende de Thalers 10 á Cinquante (St. 50) ou d’un emprisonnement de 5 á quinze jours.

Article III. La Police est chargée de l’exécution et de l’observation du present Réglement. Toute personne, qui surprendra une autre á maltraiter des animaux, est autorisée á signaler le fait á la Police. Le delinquent sera alors arrété et son cas sera examine afin que les pénalités prévues le Réglement lui soint strictement appliquées. Le present Réglement entre en vigueur á partir de ce jour. (21.IX.35).

Addis-Abeba, le 21.IX.35

L e    d i r e c t e u r    d e    l a    M u n i c i p a l i t é .

Plakate an allen wesentlichen Stellen der Stadt fordern zugleich die Oeffentlichkeit zu aktiver Mitwirkung am amtlichen Tierschutz auf.


27.

Addis Abeba, 23. Sept. 1935.

Der indische Gesandtschaftsschutz Englands in Addis Abeba.

Im Bericht Nr. 19 vom 7.9. hatte ich gemeldet, daß die Engländer eine Verstärkung ihrer indischen Schutzmannschaft durchgesetzt hätten. Und dann war sie plötzlich da. D.h. zunächst war sie noch lange nicht da. „Irgendetwas“ war los damit. Tagelang ging diese Unklarheit. Tagelang flitzten zu allen Stunden des Tages und der Nacht Journalisten zum Bahnhof, um ja nicht die Ausladung dieser mystischen Truppe – ihre Zahl hatte Fama inzwischen auf 1250 (sehr einfach – 1 Null angehängt) vergrößert – sich entgehen zu lassen. Sensation! Vergebens. Und eines abends war plötzlich nach allen Richtungen der Bahnhof abgesperrt, aber wirklich hermetisch abgesperrt. Und am nächsten Morgen waren die märchenhaften Turbansoldaten aus Indien wirklich da, d.h. bereits auf der englischen Gesandtschaft, zu der jeder Zutritt scharf überwacht, auf der jedes Photographieren strengstens untersagt war. Wieder war alles geheimnisvoll zugegangen, so daß wieder die tollsten Gerüchte schwirrten. Wundern darüber sollte man sich nicht. Sie mögen über das Ziel hinausgesaust sein, jene schwirrenden Vöglein; sie sind das sogar ganz ohne Frage.

Dennoch hatte es schon so einige eigenartige Momentchen um diese Truppe. Warum sie z.B. so erstaunlich viel Ueberzahl an Gewehren und auch Maschinengewehren mit sich gebracht hat, warum man viel, viel mehr Wellblech zum Barackenbau angekauft hat, als für diese 150 Männlein (stramme Burschen übrigens!) nötig war, hm, nun, man rechnet „irgendwie“ vielleicht doch auf erheblichen „Zuwachs“. Die dummen Reden und Gerüchte wollten nicht verstummen. John Bull ist aber immer praktisch gewesen. Also wurde – für die Journalisten! – eines schönen Tages im Gelände der englischen Gesandtschaft, das die Truppe notabene nach wie vor nicht verlassen darf, eine Truppenschau angesagt. Großartig – hin!!! Hm, eine Gruppe (8 Mann) exerzierte unter einem Unteroffizier nach dem uhrwerkmäßig pedantischen Drill-System, das der Engländer nun mal hat. Klappte ausgezeichnet. Eine etwas größere Zahl (einige vierzig) bauten – sage und schreibe! – uns sogar ein Zelt auf. Die vier englischen Offiziere – famose Gestalten! – ließen sich in echt englischer Ruhe knipsen. Kurzum: Famose Regie für Journalistik und Film. Und man darf wohl annehmen, daß heute nur wenige noch sich den Kopf zerbrechen über jene mystischen Umstände, die mit der Ankunft dieser Truppe verbunden waren!