last update: 03.10.2023 16:00
erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 8.Januar 1936
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Addis Abeba, 12. Nov. 1935. Unser „Baklo“.
Zunächst einmal: „Baklo“ heißt „Maultier“ und bedeutet also, daß es sich hier um eines jener viele und vielseitig benutzten, viel geplagten, wenig gefütterten, noch weniger gepflegten Reit- und Tragtiere handelt, die ohne selbst sich fortzupflanzen, immer wieder neu aus Pferdevater und Eselmutter gezogen werden, während Maulesel umgekehrt von Eselvater und Pferdemutter stammen. Maultiere haben in ihrem Aeußeren, aber auch im Charakter, mehr vom Pferd, Maulesel mehr vom Esel. Während man ein Pferd hier schon für 15 bis 20 Thaler erstehen kann, sind Maultiere im allgemeinen teurer. Ja, es gibt besonders schöne und flotte Exemplare, die Hunderte von Thalern kosten. Das Maultier – Maulesel sind nicht Reittiere – ist hier sowohl für Lastentransporte wie als Reittier viel geeigneter als das Pferd. Es ist härter, genügsamer in jeder Hinsicht, sicherer auf den schwindelnden Gebirgspfaden. Dazu: Auf einem Pferde kann man infolge seiner Aktionen auch nicht entfernt die Strecken zurücklegen wie auf einem Maultier, dessen Paßgang (das heißt gleichzeitige Bewegung der beiden rechten und dann wieder der beiden linken Beine, während das Pferd bekanntlich mit dem rechten Vorderbein zugleich das linke Hinterbein und umgekehrt bewegt) kaum überhaupt ermüdend wirkt, da der Körper des Reiters nicht sich aus dem Sattel hebt und wieder in den Sattel fällt, sondern sanft und stoßfrei geschaukelt wird. |
Ein Teil des Schulterfleisches hing in Fetzen herab vom Rande einer entsetzlichen Wunde. Und in dieser und zwischen den bloßgelegten Wirbelknochen trieben dicke, fette Maden ihr grauenerregendes Spiel, während Schwärme von Fliegen auf der Gesamtfläche sich ergötzten. Also rasch eine Kugel? – „Nein, nein, Herr!“
Mein schwarzer Diener, eine Mohammedaner, warnte mich: „Herr, Euer Hochwohlgeboren werden dafür böse bestraft werden. Der Baklo ist doch fremdes Eigentum.“ Also mitnehmen auf unser Grundstück und sehen, ob da ein Arzt vielleicht noch helfen kann – mit kleiner Nebenabsicht im Hintergrunde? – . „Ja nicht, Herr; der Eigentümer wird erfahren, wohin sein Tier (man denke: das Tier, das er zum Krepieren auf die Straße trieb!) ging. Wird es gefunden, wird er es – dazu ein Draufgeld für die Entziehung! – zurück verlangen. Stirbt es aber, trotz dem Arzt, werden Euer Hochwohlgeboren eine unverschämte Forderung erhalten und tatsächlich eine hohes Geld für das Tier bezahlen müssen.“ Was tun? Mein Entschluß war gefaßt. Helfen – so oder so! – wollte ich dem armen Tier. „Geh hin, Buschura, kaufe du den Baklo für mich. Hier hast du 5 Thaler (4,25 RM.). Dafür wirst du den Baklo aushandeln. Dann werde ich dir noch einen Thaler schenken.“ Und unser Buschura ging, d.h. in Begleitung einer Hilfstruppe von wohl einem halben Dutzend Freunden. Den Besitzer hatte er bald gefunden. Dann aber ging um das armselige Wrack ein feilschen los, das über eine Stunde währte. Und schließlich kam unser guter Buschura, mit sich bzw. hinter sich her ziehend den armen Baklo, in der Hand einen Riesenkaufvertrag schriftlich. Ja, der war wichtiger als der ganze Handel; denn ohne den könnte der bisherige Besitzer täglich erscheinen und mein Eigentumsrecht trotz (natürlich dann abgeleugneter) Bezahlung mir streitig machen. Und alle Aussichten darauf würden bestehen, wenn etwa gar wider Erwarten das Tier noch gesundete und also wieder brauchbar würde. Da hatten wir nun den guten Baklo, der trübsinnig die langen Ohren hängen ließ und – stank, entsetzlich stank. Da meldete sich als Sachverständiger einer unser Hausdiener, ein langer Galla. Und der erklärte – o Wunder! –, dies Tier sei trotz seines furchtbaren Zustandes noch zu heilen, zu heilen trotz der hängenden Fleischfetzen, die seine Schulterpartie darstellten, zu heilen trotz wer die Knüppelenden aus dem vereiterten Rücken herausragenden Wirbelknochen, und zu heilen schließlich trotz der zwischen diesen Wirbeln ihr „neckisches“ Spiel treibenden Maden. Wär’s ein Pferd, dann nein, aber ein Maultier – ja! Rasch war das nötige Rüstzeug beschafft: eine Spritze und hypermangansaures Kali. Fein säuberlich wurden zweimal täglich die „vergnüglichen“ Maden zwischen den Wirbelknochen herausgekratzt, und dann wurde die ätzende Flüssigkeit in die gesamte Wundstelle gespritzt, so tief hinein wie möglich. Verständlicherweise behagte diese „kitzliche“ Prozedur weder unserm armen Baklo, noch seinen fetten „Untermietern“. Was aber seit heute doch schon unserm Baklo behagt – zu unserm Erstaunen nicht minder wie zu unserer Freude! – , das ist das wohl kaum bisher ihm bekannte gute Futter, eine Mischung von Gerste und Kleie, als „Nachspeise“ duftendes Heu. Er lohnt es uns, indem er die bisher gesenkten Trauerfahnen seiner Ohren dann und wann aufrichtet und auch irgend etwas wie ein anerkennendes Grunzen von sich gibt, wenn wir uns ihm nähern. Und wir freuen uns und hoffen und haben vor allem das eine uns zugeschworen: wenn unser Baklo wieder gesund wird, er soll, wenn wir ihn einmal etwa nicht behalten können, nur dahin kommen, wo für uns die Gewißheit besteht, daß er es gut haben wird! Ja, richtig, und die Uebersetzung des Kaufvertrages, durch den der gute Baklo unser Eigentum geworden ist, lautet: „Ich, Woisero (Frau) Wulette Jes, habe ein Maultier in der Farbe der Schakela-Seife verkauft. Daß ich es verkauft habe, bezeuge ich durch den Abdruck meines rechten Daumens unten. Ich habe es verkauft an Ato Safu, Ato Birru, Ato Buschura, Ato (Herr) Ilfasso, Ato Fessa Ejalkebot, dieser geschrieben habend. Bürge ist Ato Bayenne. (Daumenabdruck) (Daumenabdruck) Gez.: Woisero Wulette Jes. Gez.: Ato Bayenne.“
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