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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 7.Dezember 1935
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Addis Abeba, 6. November 1935. Handwerk und Heimarbeit in Ethiopien.
Seit etwa 40 Jahren steht Ethiopien dem Welthandel offen. Der Jahresumsatz des Import- und Exporthandels des Landes beträgt jedoch im Höchstfalle 40 Millionen Thaler (36 Millionen deutsche Mark), für eine Bevölkerung von immerhin zirka 12 Millionen ein minimaler Umsatz. Diese geringe Außenhandelsbilanz bereits läßt darauf schließen, daß die Ethiopier einen großen Teil ihres Bedarfs an Gebrauchsgegenständen (Kleidung, Haushaltsbedarf, Werkzeuge, landwirtschaftliche Geräte usw.) im Lande selbst herstellen. Tatsächlich ist das auch der Fall; und trotz einer Reihe europäischer Importfirmen blüht durchaus noch das alte ethiopische Handwerk. Die Rohstoffe dafür in jeder Richtung sind im Lande reichlich vorhanden. Da gibt es – Vorbedingung für die Schmiedekunst – Eisenerze und Kohle fast überall im Lande. Waffen (Speere, Säbel, Dolche, Messer), Pflugscharen, Aexte, Nägel, Beschläge aller Art, Bleche (z.B. zum Brotbacken), Schaufeln u.a. – alles stellt der ethiopische Schmied her. Sein Handwerkszeug ist dabei denkbarst primitiv: Ein Amboß, ein Blasebalg und ein Hammer, das ist alles. Selten einmal ist eine Zange vorhanden; sie wird im allgemeinen ersetzt durch zwei Eisenstäbe, mit denen gegriffen und gehalten wird. Hoch entwickelt ist in Ethiopien die Gold-, Silber- und Kupfer-Schmiedekunst. Selbst der Europäer betrachtet die Erzeugnisse dieser Kunst mit Bewunderung. Feinste Arbeit weisen die weltbekannt gewordenen ethiopischen Kreuze in Silber, Gold und anderen Metallen auf, nicht anders die ebenso bekannten Ohrlöffelchen (dem Ethiopier ebenso notwendige Reinlichkeits-Bedarfsstücke wie dem Europäer z.B. die Taschentücher), Hals-, Arm- und Fingerschmuck. Wundervolle Arbeiten sieht man an den Beschlägen der Schilde, an Zaum- und Sattelzeugen. Flechtarbeit:
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Leider geht diese Heimarbeit auch hier mehr und mehr zurück, da der Weltmarkt – besonders aber Japan – nach und anch auch Ethiopien mit seinen fabrikmäßig hergestellten Garnen und Fertigstoffen zu billigsten Preisen versorgt. Der ethiopische Hausherr ist durchaus nicht sehr erbaut davon, daß auf diese Weise seine Frau „Beschäftigung“ verliert, weil er nun fürchtet, ohne solche könne sie zu leicht auf … „dumme Gedanken“ kommen. Seiner Mißstimmung über die eingeführte fremdländische Fabrikware hat er humoristischen Ausdruck verliehen, indem er einer aus Japan eingeführten „Toga“ (der allgemein, malerisch um die Schultern geschlagen getragene Ueberwurf, hier „Schama“ geheißen) die Bezeichnung „bale senefu sjet“, d.i. „Marke faule Frau“, gegeben hat.
Die Garne, ob in Heimarbeit gesponnen oder aus dem Ausland fertig importiert, werden – wiederum handwerksmäßig – mit Webstühlen, die der Weber selbst in einfachster Form sich herstellt, zu Stoffen verarbeitet, aus denen dann der Schneider die landesüblichen Kleidungsstücke herstellt. Die Togen der vornehmen Frauen und die der großen Herren werden an ihren Rändern von den Schneidern kunstvoll bestickt. Kunstvolle Randstickereien – am Halsausschnitt und an der unteren Hinterkante – erhalten auch die Frauen-Kleider, die im Grunde ja Hemd und Kleid zugleich sind.
Die Weberei. Der Weber, in seinem Schlag stehend, unter seinem primitiven "Webstuhl"Diese Börnusse kommen durchweg aus der dadurch bekannten Provinz Möns, wo sie – zugleich prachtvolle, warmhaltende Wolldecken – aus Schafwolle in Heimarbeit hergestellt und gefärbt werden. Hier sei gleich noch der ethiopischen Teppich-Weberei gedacht, die allerdings nur in der Kaiserlichen Manufaktur ausgeführt wird. Die dort handgeknüpften Teppiche stehen tatsächlich an Qualität und Schönheit weder türkischen noch persischen Teppichen nach. Die Ethiopier – Männer wie Frauen – im allgemeinen gehen barfuß. Sie haben eine Sohlenhaut wie die Haut eines Rinozeros und können, wenigstens die Männer, tatsächlich unbeschadet über spitzeste Steine, ja, selbst Scherben laufen! Man sollte daraus folgern, daß die Schuhmacherei nicht gerade in Blüte steht. Das stimmt in der Tat. Immerhin gibt es in größeren Orten aber auch Schuhmacher, die gar nicht so übel verdienen. Sie stellen – abgesehen von den Arbeiten für die Europäer und Ethiopier-Dandys europäischen Einschlages – vor allem Sandalen her, die der vornehme bzw. wohlhabende Eingeborene, eben als Zeichen seiner Vornehmheit den anderen gegenüber, gern trägt. Solche Sandalen sind oft sehr kunstvoll bestickt. Eine sehr interessante Entwicklung hat in Ethiopien die Herstellung handgeschriebener Bücher genommen. Noch vor fünfzig Jahren kannte man in Ethiopien überhaupt kein Papier. Man schrieb mühselig mit Bambus-Federn und damals schon – wie heute noch! – selbstgefertigter Tinte aus einer Art von Pergament, das man, übrigens und wunderbarer Feinheit, aus Ziegenhaut herstellte. Dies Pergament, das geradezu unverwüstlich ist, wird im Inneren auch heute noch hergestellt und verwendet, besonders in den Priesterschulen und von den theologischen Gelehrten, wesentlich zu Bibelabschriften. Ich brauche nicht zu sagen, daß ein vollständiges Exemplar der Bibel in solchem Pergament – handgeschrieben – und üblicherweise „eingebunden“ in zwei kunstvoll handgeschnitzte Holzdeckel nicht nur von außerordentlichem Umfange, sondern ebenso von ganz erheblichem Gewicht ist. Ich sah kürzlich ein solches „Buch“ und war bis zur Erklärung des eigenartigen Gebildes der Ansicht, es handle dabei sich um irgendeine besonders wertvolle … Sitzgelegenheit. Die ethiopischen Druckereien verwenden das Pergament natürlich nicht. Sie sind darauf angewiesen, statt dessen importierte Papiere zu nehmen. Papier nämlich wird bisher in Ethiopien nicht hergestellt, obwohl eigentlich alle Vorbedingungen für Papier-Fabrikation durchaus gegeben sind. Die Behandlung der ethiopischen „Buchkunst“ führt uns schließlich zur Malerei. Ursprünglich nämlich war diese – wie ja fast überall – kaum anderen Zwecken dienbar als der Illustration von Büchern und vor allem der Bibel und sonstiger religiöser Werke, wo das Leben Christ, das Leben, Leiden und Sterben der Heiligen und Märtyrer bildlich darzustellen war. Dann kam dazu die Ausschmückung auch der Kirchen durch Bilder und Wandmalereien. Noch heute findet man in der ethiopischen Malerei im wesentlichen religiöse Motive. Dazu sind nach und nach Darstellungen von Jagd- und Schlachtszenen getreten. Und ganz allmählich hat sich schließlich auch eine Porträtmalerei entwickelt. Sieht man ein solches Kunstwerk ethiopischer Malerei, so erinnert man sich unwillkürlich der malerischen „Kunst“ (?) aus eigener allerfrühester Kinderzeit. Steife Linienführung, völliges Fehlen des Begriffes „Perspektive“ und restloser Mangel an selbst auch nur allereinfachster Proportion. Dabei grellbunte und größtenteils vollständig unnatürliche Farbengebung. Was der Maler sagen will, das freilich erkennt der Beschauer sofort, oft aber nur an einer geradezu monströs drastischen Darstellung. Kunstvoller als die „Malerei“ möchte man beinahe die ihr verwandte Kunst der „Tätowierung“ bezeichnen. Jede Ethiopierin, gleich ob Gallafrau oder Amharin, ist mit Ornamenten tätowiert an Hals, Stirn, Armen und Händen, vielfach an der Nase und sogar am – Zahnfleisch. Die Farbe dieser Tätowierungen ist immer ein dunkles Blau. Die ethiopischen Männer kennen dagegen Tätowierungen nicht. Abschließend sei gesagt: Zwar hat auch Ethiopien das Wort vom „goldenen Boden des Handwerks“ – von einer „Kunst“ kann man hier ja nicht gesondert sprechen – eine gewisse Geltung. Andererseits aber fehlt dem ethiopischen Handwerker die Achtung und Wertschätzung, die ein ordentlicher Meister des Handwerks anderswo genießt. Kein Ethiopier der sogenannten besseren Stände würde Handwerker werden oder seine Kinder Handwerker werden lassen. Es mag dies vor allem damit zusammenhängen, daß überhaupt der körperlichen Arbeit von dem herrschenden Volke der Amhara, die ja nur Sklaven für sich arbeiten ließen (und lassen!), ein gewisser Stempel eben von „Sklaventum“, Niedrigkeit und Unwürde aufgedrückt wurde. |
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Addis Abeba, 8. Nov. 1935. Somali und Danakil.
Die beiden Völker leben in den Gebieten, die den italienischen Kolonien unmittelbar benachbart und für das erste Vordringen der Italiener daher von wesentlicher Bedeutung sind. |
Dort empfing er mit besonderen Ehrungen die Häuptlinge der Somali, die er geschickt zu gewinnen wußte durch Verleihungen von ethiopischen hohen Titeln und Würden, zugleich durch das Versprechen, daß sie in ihrer Freiheit unbeschränkt bleiben würden. So kam es, daß die Somali seither und großenteils auch bisher treue Untertanen des Negus und erbitterte Feinde der Italiener sind. Heute ist der anerkannte Führer der Somali in Ogaden Mohammed Zoraster.
Die Danakil – sie sitzen nördlich der Djibouti-Bahn, an dieser selbst westlich etwa bis Hauasch heran, nördlich bis heran an die Provinz Agame, im Westen begrenzt durch das Hochland – haben sich bisher in gleicher Weise wie die Somali selbständig gehalten. Auch sie sind Mohammedaner. Das Gebiet der Danakil zerfällt in das Sultanat Aussa und die Provinz Afar. Ueber Aussa gebietet ein Danakil-Sultan, dem aber nicht – wie sonst in Ethiopien da, wo noch ein Schimmer von Autonomie besteht – ein Amhara zur Seite steht. Der Gouverneur der Provinz Afar, Dedjasmatsch Mohammed, untersteht nominell dem Gouverneur von Wollo, z. Z. also dem Kronprinzen Asfau Wossen. Ttasächlich führt auch er – selbst Dankali (Danakil ist der Plural des Wortes) – ein im Grunde genommen unbeschränktes Regiment in seinem Gebiet. Die Danakil sind gleich den Somali nomadisierende Viehzüchter, gleich den Somali aber auch Streitereien und Räubereien nicht abgeneigt. An Mut und kriegerischer Tüchtigkeit übertreffen sie die Somali. Den Gerüchten nach sind Teile der Danakil zu den Italienern übergegangen. Es steht andererseits aber fest, daß unter ihnen die Person des Dedjasmatsch Mohammed großes Ansehen genießt und daß sie da, wo sie in dessen Scharen bisher eingesetzt wurden, auch tapfer gekämpft haben. Geldliche Beeinflussungsversuche dürften gerade bei den Danakil nicht ausschlaggebend sein. Geld spielt bei ihnen eine verhältnismäßig sehr untergeordnete Rolle. Ihr Interesse ist Vieh und sind Waffen. Wer es versteht bzw. vermag, das ihnen zu geben, zugleich ihre Freiheit ihnen zu lassen, in dem sehen sie ihren Freund. Abschließend sei berichtet, daß Danakil wie Somali – letztere überwiegend – in der französischen Kolonie „Cote des Somalis“ bedrohlich unruhig werden, und dies dergestalt, daß die Franzosen in Befürchtung ernsterer Weiterungen ihre Garnison in Djibouti durch Senegaltruppen und französische Flieger wesentlich verstärkt, die ganze Kolonie an ihren Grenzen mit durchlaufendem Drahtverhau und an entsprechenden Punkten mit feldmäßigen Befestigungsanlagen gesperrt bzw. gesichert haben. |
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