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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 30.November 1935
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Addis Abeba, 31. Oktober 1935. „Vinci – winsch’i“.
Zunächst eine kurze „Erläuterung“ der Ueberschrift: das erste der beiden Worte ist italienisch und also auszusprechen „Winschi“ (demgemäß genau wie das zweite Wort!) Das zweite Wort ist gut „Weaner“ (Wiener) Dialekt und heißt auf Hochdeutsch: „Wünsch ich“. |
Der eilt ihm – hinter seinem Tisch und vor dem Schaltbrett mit den vielen Schlüsselhaken herbeistürzend – entgegen, ein wenig befremdet dem eleganten Gast in das erzürnt blickende Gesicht schauend. Ein Portier aber weiß, was sich gehört, und ist zudem in Wien besonders höflich. „Guten Morgen winsch’i“. Da ist der Graf schon in der Drehtür. Doch – o weh! – noch in dieser hört er den eifrigst „drehenden“ Boy ihm zurofen: „Guten Morgen winsch’i“. Nur fort hier, denkt der Graf; das scheint ja ein ganz verrücktes Hotel zu sein. Hin zur nächsten Taxe, um zur Gesandtschaft zu fahren. Höflichst – in Wien sind alle höflich – zieht der Taxenchauffeur seine Mütze: „Guten Morgen der Herr“. Aaaaa – denkt unser Graf – endlich einer, der mich in diesem dreimal verflixten Wien noch nicht kennt; und endlich einer, der weiß, was sich gehört. Doch er hat‘s kaum ausgedacht, da setzt nach einem Blick über das elegante Aeußere seines Fahrgastes der Chauffeur rasch und beinahe schuldbewußt noch ein zweites „Guten Morgen“ hinzu, und das wird abgeschlossen mit „winsch’i“. „Ja, himmelkreuzdonnerwetter“ – explodiert der Graf – „Mensch, woher zum Teufel kennen Sie mich denn überhaupt?“ Doch seine Kenntnisse der deutschen Sprache sind minimal, und so war er in seiner Erregung in seine Muttersprache verfallen. Die versteht aber der Chauffeur nicht. Fassungslos blickt er den wütenden Herrn da vor ihm an. Hm, ein Verrückter? Na, den will er nicht fahren. Er lehnt in unnachahmlichem „Weaner“ Dialekt ab und dreht ihm den Rücken zu. Dem Grafen blieb nichts übrig als der Weg zur nächsten Taxe. Nunmehr ruft er voll vermeintlicher Selbstironie dem braven Alten hinter dem Steuer entgegen: „Guten Morgen, Vinci“. Der aber schaut keineswegs erstaunt drein, erwidert vielmehr höflichst: „Hobe die Aehre, gnä Herr“.
Also der endlich ist sein Mann. Der Graf fährt zur Gesandtschaft. Er fiebert geradezu, bis er dort endlich seine verrückten Erlebnisse berichten und vor allem natürlich erfahren könne, wie es möglich ist, daß schon ganz Wien ihn, den jungen Attaché, kenne. Ich brauche nicht zu sagen, daß es ein schallendes Gelächter gab, bis einer der Herren sich zu der erwünschten Erklärung aufraffen konnte. Dem Grafen Vinci aber ist sein „Debut“ in Wien eine Erinnerung für sein Leben geblieben, die er in fröhlicher Stimmung immer einmal wieder gern mit dem ihm eigenen Humor auffrischt. |
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Addis Abeba, 2. Nov. 1935. Der ethiopische Soldat.
Eine reguläre Armee besitzt Ethiopien erst seit einigen Jahren. Ihre Kopfstärke kann man heute auf etwa 25 000 Mann veranschlagen. Die Soldaten dieser regulären Armee nennt der Ethiopier „Jemajor Sabanjotsch“, d.h. in wörtlicher Uebersetzung „Wächter des Majors“. Entstanden ist dieser Ausdruck, der übrigens nicht gerade eine Ehren-Bezeichnung darstellt, dadurch, daß der Chef der (belgischen) Militärmission eben ein „Major“ war, und dadurch, daß die reguläre Armee wesentlich zum Wachtdiesnt im Palast des Kaisers sowie zu Eskortediensten herangezogen wurde. Für den Ethiopier ist und bleibt wohl auch einstweilen noch der „eigentliche“ Soldat der „Wotader“ (wörtlich „Soldat“), d.i. der „Irreguläre“, der Gefolgs- und Lehnsmann des Kaisers, der Minister, die großen und schließlich auch kleinen „Chefs“ (Gouverneure, Untergouverneure, höhere Kaiserliche Beamte, höhere Beamte der Provinz-Gouverneure usw.). |
Wotader-Horden mit der KriegstrommelIn dieser Form und Gliederung zieht die Miliz –vertreten in dieser alle Altersklassen von etwa 15 bis zu 60 Jahren und noch darüber hinaus! –auch heute aus ihren Provinzen ins Feld, oft Hunderte von Kilometern weit. Die Tagesmärsche sollen mit Rücksicht auf die schwerbelasteten und vor allem auch ganz primitiv beladenen Tragtiere 30 Kilometer durchschnittlich nicht übersteigen. Die Verpflegung wird im Rahmen des Möglichen durch Proviantmagazine sichergestellt, die die Regierung etappenweise anlegen und immer wieder auffüllen läßt. Freilich besteht diese Verpflegung lediglich aus geröstetem Weizen (Kollo) und gerösteten Kichererbsen (Chimbora). Fleisch kommt im Verpflegungsprogramm kaum einmal vor. Die Eintönigkeit dieser Verpflegung (na, und manchmal fällt sie auch aus oder wird in allzugeringer Ration nur gereicht!) führt verständlicherweise dazu, daß diese „Soldateska“ alles packt, was an Eßbarem zu erreichen ist, vor allem die Felder rechts und links ihres Vormarsches geradezu kahl „frißt“ wie ein Schwarm Heuschrecken!!! Geht es diesen Kerlen gut, so treiben sie unterwegs allerhand „Allotria“, necken die Leute, jagen ihnen Angst und Schrecken ein (so etwas soll gerade hier in der Hauptstadt in recht drastischer Weise allerjüngst einigen Journalisten geschehen sein, die darob zum Gaudium ihrer vermeintlichen Lebensbedroher um ihre Heldenleben gezittert haben) und sind dabei „im allgemeinen“ doch nichts als große und ungezogene Kinder. Kommt dann ein solcher „Haufe“ in’s Kampfgebiet, so geht der „Fitorari“ mit der Vorhut – gegebenenfalls auch in gelockerter oder Gefechtsordnung, –tatsächlich also so etwas wie „ausgeschwärmt“ – vor. Es folgt auf etwa 2 Kilometer der Haupttrupp unter dem Dedjasmatsch, der je nach Lage in die Vorhut einschwärmt, oder sie rechts bzw. links verlängert, gegebenenfalls auch unter Ausscheiden der Reserve. Ist ein Angriff solcher Formationen einmal angesetzt, so läßt er entsprechend solcher Ordnung und Taktik naturgemäß sich weder umdirigieren noch abstoppen. Der entscheidende Führer selbst ist „mittendrin“ in seiner kämpfenden Schar, hat also bei Beginn des Angriffes seine Truppe vollständig aus der Hand gegeben. Hier gibt es nur noch Zweierlei: Sieg oder – mindestens mehr oder minder – Vernichtung! Im jetzigen Kriege hat man, wie berichte „sozusagen“ ausgebildete, modern bewaffnete Soldaten der regulären Armee an verschiedenen Frontstellen eingesetzt, Soldaten, die von den Instruktionsoffizieren der belgischen Militärmission oder aber von dem durch diese geschulten Lehrpersonal ausgebildet wurden. Ich wiederhole: Was ich von diesen Soldaten gesehen habe, läßt mich urteilen, daß jene wilden Horden den Italienern gefährlichere Gegner sein werden als die regulären Truppen. Das wäre anders, wenn etwa die „Milizler“ gegen die wirklich modern ausgestatteten Italiener in Tages- und womöglich Tages-Massenangriffen vorgehen würden. Da wären sie kaum anderes als blutige Massenernte eben dieser modernen Kriegstechnik. Sie haben nach ersten bösen Erfahrungen umgelernt, diese braunen und schwarzen Söhne der Bergwildnis. Gehen schon ihre marschierenden Heerhaufen heute – und zwar schon auf weiteste Entfernungen –nur nachts vor, so greifen die Krieger grundsätzlich nur im Dunkeln der Nacht an und suchen auch da noch, den Frontalangriff zu vermeiden, statt dessen um die Flanke herum in den Rücken des Gegners zu kommen. Ihre Schwäche ist und bleibt aber ihr Hang und Drang zur Zusammenballung, ein Drang, der für diese gänzlich ungeschulten und zu eigenem Handeln natürlich gar nicht fähigen Wilden oder Halbwilden nur selbstverständlich ist. Die „Masse“ ist eines ihrer Stärkemomente. Die „Masse“ ist aber auch ihre große Gefahr; denn für Massen, wie sie die eiserne Notwendigkeit heute in Bewegung setzt, fehlt die Organisation in jeder Hinsicht, gerade aber auch die in Hinsicht Ernährung. Nicht umsonst hat man immer und immer wieder gezögert, die Kriegerhorden in das Kampfgebiet hinein oder mindestens bis dicht an dieses heranzuführen. Man ist sich klar darüber, daß die Gebiete, die den Massen dieser Soldateska Unterkunft geben müssen, in kürzester Zeit bis aufs Blut ausgesogen sein werden. Und dann…?! Soll also die Masse „wirken“ und mit ganzer Wucht wirken, so ist hier dringendstes Gebot raschester und durchgreifender Einsatz nach klar durchdachtem Plan. In dieser Hinsicht entscheidet die Strategie. Die nahe Zukunft wird lehren, ob der Ethiopier in der Lage ist, auf diesem Gebiet mit dem Italiener die Klinge zu kreuzen. |
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Einer d. Wotader-Führer mit seiner persönl. Begleitung |
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