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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 10. September 1935
VIII.

Addis Abeba, 9. Aug.

Der „Schwarze Adler“

Wer auf dieser Erde wüßte nicht von ihm? „Black Eagle“ schrieb ihn die Presse der englisch sprechenden Welt, „Aigle noir“ die in französischer Sprache erscheinende, „Tekur Nissr“ schließlich hieß er in der ethiopischen Zeitung. Spaltenreiche Artikel in den Zeitungen aller Länder waren ihm gewidmet, ihm, dem kühnen Negerpiloten, der mit Kampfflugzeugen aus den Mitteln der Negerbevölkerung Amerikas und von ihm selbst geschulten Piloten unterwegs sein sollte nach Ethiopien, um im künftigen Kriege der Schrecken des Feindes in der Luft zu werden. Eine fabelhafte Reklame! Wer hat sie gemanaget? Er selbst, der „Schwarze Adler“, der König der Lüfte, der Kaiserlich Ethiopische Oberst und Chef des Flugwesens. Seine Visitenkarte lautet: Colonel Hubert Julian „Black Eagle“ New York City. Und nun habe ich ihn gesehen, die Fabelgestalt der schwarzen Welt, habe ihn gesehen in dandyhaftem Zivilanzug von „Wedding“-Eleganz, das große Monokel an breitem, schwarzen Bande im Auge, stolz zu Roß, habe ihn gesehen auch in todchiker Khakiuniform, einen Streifen mehr am Aermel als ihm zusteht. Er ist „Kapitän“, also „Hauptmann“ der Kaiserlichen Armee. Doch gehen wir der Reihe nach: Vor etwa drei Jahren tauchte Hubert Julian zum ersten Male hier auf, und zwar mit der Behauptung, ein vollendeter Flugpilot zu sein. Sein Debut war ein Fallschirmabsprung. Damit hatte er imponiert. Er verstand es, sich das Vertrauen des Negus zu gewinnen, so daß dieser ihm ein Flugzeug anvertraute. Großer Tag in Addis Abeba. Der „Adler“ startet, d.h. er reißt die Maschine bis etwa 2 Meter hoch und bringt sie im nächsten Augenblick als Trümmerhaufen wieder zur Mutter Erde. Nur der „Adler“ selbst entwindet sich unverletzt dem Gewirr. Verständlich, daß der Kaiser ob des Verlustes der neuen, schönen Maschine erzürnt war. Verständlich andererseits, daß unser „Adler“ in Furcht vor dem Kaiserlichen Zorn – davonflog. Eine Zeit lang blieb es still um ihn. Dann plötzlich meldet die Presse aus Amerika, der „Black Eagle“ stehe vor einem Transozeanfluge. Eine Riesenreklame war in Szene gesetzt – von wem? Reporter jagten der Abflugstelle zu.

Da stand unser Held an seine Maschine „Abessinia“, gestiftet von den schwarzen Brüdern da drüben, die an sein Heldentum glaubten. Er stand in malerischer Pose und ließ sich photographieren. Der erste Akt der Komödie! Und dann geht’s los. Er schwingt sich in die Luft, huldvoll den Abschiedsgrüßen seiner Bewunderer dankend. Doch – was ist das? – einige Hundert Meter weiter und der stolze Vogel nimmt statt der Richtung auf und über den Ozean die ein wenig minder gefährliche Richtung auf die – Erde. Und damit war Schluß auch dieser Phase eines Heldenlebens. Dezember 1934 aber beginnt ein neuer Akt der „Adler-Komödie“. Ein Telegramm aus New York verkündet der aufhorchenden Welt: „Black Eagle“ eilt mit einer Staffel Jagdflugzeuge und geschulten Piloten dem Kaiser von Abessinien zu Hilfe, nachdem der Kaiser sein hochherziges Angebot telegraphisch angenommen und ihn zum Oberst und Chef des abessinischen Flugwesens ernannt habe. Das Letztere – d.h. sowohl die telegraphische Annahme wie auch besagte Ernennung – war ein kleiner Zusatz unseres Helden. Im Februar 1935 aber war der Adler wirklich da, d.h. in Addis Abeba. Er war allerdings nur ganz allein da, immerhin auch so gewiß ein Schreckmoment für den Gegner. Man denke: Der „Schwarze Adler!“. Fragte man ihn, wo denn die Flugzeuge und Piloten seien, hüllte er sich in geheimnisvolles Schweigen unter Berufung auf ein Kaiserliches Schweigegebot, das er allerdings nie erhalten hat. Monate gingen so dahin. Der König der Lüfte galoppierte inzwischen durch Addis Abebas Straßen. Sein Monokel blitzte, das schwarze Band wehte, seine gelben Reitstiefel leuchteten. Die Welt staunte.

Auf wiederholtes Drängen um eine Verwendung – der kühne Reitersmann, um so „kühner“, als seine „Reiterei“ eine höchst problematische Angelegenheit war und ist – wurde Herr Julian ethiopischer Staatsbürger und erhielt, obwohl er vom Soldatsein nicht mehr wußte als von Adlerflugstücken, endlich sogar 250 Mann zu militärischer Ausbildung. Doch diese Kaiserliche Gnade war mit einiger „Vorsicht“ verbunden. Black Eagle übernahm die Schulung der Angestellten der Staatsdruckerei, der Staatsteppichweberei, der Staatsmanufakturen und der technischen Werkstätten des Palastes. Täglich von 7 – 9 Uhr früh leitet unser Held den Drill dieser Schar in den – Straßen von Addis Abeba; d.h. einige Unteroffiziere der Kaiserlichen Garde tun den Dienst „Black Eagle“ umkreist hoch zu Roß, monokelblitzend, seine „Truppe“, dies aber in blendender Uniform als „Hauptmann“ der Kaiserlich Ethiopischen Armee.