last update: 30.07.2023 17:13
erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 28. August 1935
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Wir waren im „Expreß“ (ich rate jedem, sich die Kosten für 1. Klasse zu ersparen und die 2. Klasse zu wählen, die sich kaum von der 1. unterscheidet) über Ismailia nach Cairo gefahren. Wir haben die Araberstadt Cairo durchwandert, Sakkara, die uralte Totenstadt Memphis und die Pyramiden von Gizeh gesehen. Befugte haben darüber und über die herrlichen Schätze des Nationalmuseums in Cairo geschrieben. In anderer Richtung will ich einige „Streiflichter“ über das Land huschen lassen: Auf dem Wege zu den Stätten der Erinnerung an eine unerhört vorgeschrittene uralte Kultur haben wir von Cairo uns wenige Kilometer nur entfernt. Die Straße führte an einem der größeren Nebenarme des Nils oder einer seiner Kanäle entlang. Und was lag darin? Ein abgehäuteter, also planmäßig dahineingeworfener Eselkadaver. Um den Kadaver herum badeten Kinder. Unweit wusch eine Frau ihr Eßgeschirr. Kaum 10 Meter davon, genau so wenig beachtet wie jener Eselkadaver, trieb die Leiche eines braunhäutigen Mannes. Dutzende von Tierkadavern haben wir im Verlaufe unserer Fahrt in den Gewässern noch gesehen. Als Führer hatten wir einen Mann deutschen Namens. Preis durchaus solide, d.h. durch das Hotel festgelegt. Führung gut. Als Kenner des Orients witterte ich aber irgendwo den „Pferdefuß“, sobald ich erfuhr, daß jener Mann mit deutschem Namen ein „Türke“ sei, der mir obendrein erklärte, er sei ein „freiwilliger“ Mohamedaner. Nun, der Pferdefuß entpuppte sich diesmal ziemlich harmlos. Sein „Spezialverdienst“ waren die „Trinkgelder“, die er den Arabern an verschiedenen Stellen gab. Er gab sie „diskreterweise“ sehr unsichtbar. Die Araber waren nie zufrieden. Ich war es später auch nicht ganz; d.h. ich war es nicht in Anbetracht der Höhe jener Sonderabgaben. Ein charakteristisches Moment sein nicht vergessen: Auf dem Wege zwischen Sakkara und Gizeh, mitten im Wüstensande, begegneten wir einer tief verschleierten Araberfrau. Ihre dunklen Augen blickten zwischen Kopfschutz und Schleier uns an. Ein Lächeln: „Heil Hitler!“ – Der Gruß der Wüstenbewohnerin für uns Deutsche. In Aegypten ist der German durchaus beliebt. Und doch: In Cairo wie Port Said hängen über Restaurants und Cafés die Flaggen aller möglichen Nationen, besonders aber die Frankreichs. Nicht eine einzige deutsche Flagge habe ich gesehen, wohl aber Deutsche, die in jenen Gaststätten verkehrten, wo man die deutsche Flagge anscheinend nicht „kennt“. Ich habe mich – geschämt; und ich hoffe, daß man deutscherseits wissen wird, dem Deutschen beizubringen, daß er gleich den Angehörigen anderer Nationen eine Gaststätte meidet, die andere Flaggen, nicht aber die deutsche führt! Der Deutsche lerne in dieser Hinsicht vom Engländer! – Die Schuld an jener Einstellung den Deutschen gegenüber trägt neben dem mangelnden Nationalstolz, der Deutsche selbst aber nicht das ägyptische Volk. Es ist die „Levante“, die hier mit allen ihren unliebsamen Eigenarten sich geltend macht. Das Volk des Landes – bis auf eine dünne Oberschicht – krankt trotz der Fruchtbarkeit seines Nils und seiner 4 Ernten an bitterster Armut. Das Geld, der Glanz in Grundbesitz wie Lebensweise liegt in den Händen jenes Gemisches von Juden, Armeniern, Griechen usw., kurzum: der Levante, die Land und Volk und – Fremde in übelster Weise aussaugt, wie sie das genau so in der Türkei tat und heute wiederum tut. Richtig, die Türkei“! Sie tut alles, um die Aegypter für Besuch ihres Landes zu gewinnen. Der immer wiederholte Appell aber findet kaum Anklang. Die Türkei hat mit ihrer Abkehr vom Islam die Resonanz in dem moslimischen Aegypten verloren. Und doch unterliegt fraglos die islamische Kultur auch in Aegypten mehr und mehr dem Einfluß des Abendlandes. Mit Aeußerlichkeiten fängt es an, genau wie einst in der Türkei. Ging vor gar nicht langer Zeit noch die Aegypterin auch der Städte streng in ihrer – modernisiert übrigens sehr kleidsamen – Tracht, so meint sie heute, wenigstens in den größeren Städten, in dem europäischen Hut viel schöner und vornehmer zu sein, und nur der Schleier über dem Hut deutet das einstige Gebot der Zurückhaltung weiblicher Schönheit noch an. Wüßten sie, wieviel schöner sie oft in ihrer kleidsamen Tracht mit dem zarten Hauch des Schleiers aussehen, wie lächerlich umgekehrt in dem Gemisch von europäischer und orientalischer Tracht, ich glaube, sie würden die Mode Europas bzw. ihrer geschmacklosesten Form nicht eintauschen gegen den dereinstigen Charme der eigenen Tracht! |
Eine andere Frage ist es, weshalb die ägyptische und speziell arabische Frau bei der Hitze ihres Landes sich fast durchweg in Schwarz kleidet, während doch weiße Farbe der Kleidung für das Klima die natürliche wäre. Ob da etwa die männliche Eifersucht – schwarz verdeckt natürlich Form und Schönheit wesentlich mehr als ein helleres Gewand – grundlegend war, ich weiß es nicht.
Jedenfalls wäre dieser Quälerei in einfachster Weise und angepaßt an Tradition und Eigenart abzuhelfen. Und es sei der an sich in ihrer Art wirklich schönen Aegypterin noch gesagt, daß ihr das natürliche Schwarz ihres Haares unendlich viel besser steht als das künstliche und „krankhafte“ Blond der Mode, das sie heute vorzieht. Dem Aegyptenreisenden fällt ein Uebel nach kurzem Aufenthalt schon auf: Außerordentlich viele Aegypter schielen. Das grelle Licht im Verein mit dem feinen Staub mag die vielen Augenkrankheiten wohl erklären. Ob aber auch die ungeheure Verbreitung des Schielens damit zusammenhängt, möge berufenem Urteil überlassen bleiben! – Ein wunderbares Erinnerungsstück an die Geschichte der türkisch-mameluckischen Zeit des Landes bildet die Zitadelle, die von ihrer Höhe herunter die Stadt Cairo beherrscht. Uns Deutsche, die wir Achtung und Ehrfurcht empfinden vor der geschichtlichen Vergangenheit unseres Landes und Volkes und heute diese Achtung Gottseidank wieder bekennen dürfen, mutet es schmerzlich an, sehen zu müssen, wie ein solches Dokument völkisch-historischer Entwicklung geradezu verkommt und verdirbt. Und kaum anders trifft es den Deutschen in seiner tieferen Anschauungsweise, wenn er dicht an den Pyramiden von Gizeh, von dürftigem, häßlichem Bretterzaun umgeben, den geschmacklosen Kastenbau einer Art von Palais sieht. Auf die erstaunte Frage, was denn das für ein Kasten sei, lautet die Antwort: „Es ist ein kleiner Palais, in dem der König illustre Pyramidenbesucher, die seine Gäste sind, bewirtet. – Schade, wie es um so vieles schade ist, was den Beschauer stört, der die Größe und Schönheit der uralten ägyptischen Kultur in stiller Andacht genießen will! -- In Cairo haben wir auch ein deutsches Restaurant besucht. Es heißt „Finish“. Die deutsche Flagge habe ich darüber vermißt. Was es dem Besucher bietet, ist gut. Weniger erfreulich war es uns, sehen zu müssen, wie ein deutsch-sprechender Besucher – hoffentlich trotzdem kein Deutscher! – seine Füße auf einen herbeigezogenen zweiten Stuhl legte, während seine Begleiterin ihrem Hunde seine Platz auf dem … Eßtisch anwies. „Streiflichter“, wie ich anfangs sagte! – Unser Führer durch das Nationalmuseum in Cairo war ein recht gut Deutsch sprechender Araber, Abbas Mohamed Said, mit der polizeilichen Führer-Nummer 169. Als er nach wirklich ausgezeichneter Führung um eine schriftliche Anerkennung bat und auf dieser – ich gab sie ihm aus vollster Ueberzeugung herzlich gern – meinen islamischen Namen las, stutzte er. Und als ich ihm die Richtigkeit dessen bestätigte, wollte er mit aller Energie den empfangenen Lohn mir zurückgeben. Da ich das zurückwies, bat er meine Frau und mich, seinem Hause in einem Dorfe unweit von Cairo die Ehre zu erweisen, darin seine Gäste zu sein. Leider haben die Umstände es uns nicht erlaubt, die Einladung anzunehmen. Aber Abbas Mohamed Said war unser Gast im Hotel zu einer Tasse Kaffee. Ich kann ihn jedermann als ausgezeichneten und ehrlichen Führer durch Cairo und Umgebung wärmstens empfehlen. -- Und nun schwimmen wir durch das heiße – d.h. die Hitze brütet ja darüber – Rote Meer, Djibuti entgegen. Das „Greenhorn“ weiß vor Tropenhelm, Whisky-Soda, die Damenwelt vor (nebenher nicht immer reizvoller!) „nudité“ kaum zu bestehen. Wie gruselig, sogar Haifische haben wir in Schiffsnähe schon gesehen! Ja, es ist heiß, ganz gewiß. Aber auf einem europäischen Schiff ist in jeder erdenklichen Form wirklich so gut vorgesorgt, daß der ehrliche Erzähler schon eingestehen muß: Es ist selbst im Roten Meer unweit Djibuti ganz erträglich; und die Haifische sind auf dem Schiff selbst auch ungefährlich. – Wenn etwas stört, so ist es höchstens die Neugierde der zahlreichen mitreisenden „Kollegen vom fach“, die immer nicht recht wissen, wie sie den „Anfang“ für die Befriedigung ihrer Neugierde finden sollen. Erstaunlich, welcher Schwarm von Reportern, Filmoperateuren usw. aus aller Herren Länder augenblicklich den gleichen Weg nimmt, den nach … Adis-Abeba!
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