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erschienen im Senftenberger Anzeiger vom 26. August 1935
II.

Auf Dampfer Chenonceaux im Roten Meer.

20. Juli 1935.

Am 8. Juli 1935 um die Mittagszeit steigt aus dem blauen Meer Afrikas Küste auf, weiß mit leicht gelblicher Tönung, unterbrochen vom dunkleren Ton einzelner Baumgruppen. Und dann das Häusermeer der Handels- und Hafenstadt Alessandria – eine Hafenstadt kaum anders wie solche in Europa auch, übertuscht in ihrer vielleicht einstigen Originalität durch den modernen Internationalismus. Zunächst – gültig für die Zeitspanne, der dieser Bericht entstammt – ein wohlgemeinter Rat, so paradox er klingen mag: Wer der Hitze Europas, mindestens aber der südlich der Alpen, überdrüssig ist, der gehe nach… Afrika, mindestens Alessandria. Tatsächlich ist’s zur Zeit hier wohltuend kühl gegenüber der Backofen-Temperatur, die wir in Italien erfahren haben. Ich will nun nicht von den bekannten z.T. lästigen Formalitäten sprechen, die mit der Reise von Land zu Land verbunden sind, auch nicht von dem „Mischmasch“ von Orient und Occident in dem Gewimmel am Hafen. Dem, der es zum ersten Male sieht, mag es manche Illusionen rauben; und ich will ja gar nicht Illusionen nehmen. Ich will auch nicht von den vielerlei Darbietungen in Waren und … „Künsten“ berichten. Künste? – Ja, da produzieren sich z.B. inmitten des Trubels am Schiff Parterre-Akrobaten, die sich ganz gewiß in der Skala sehen lassen könnten. Nebenher: Da reißt soeben ein Gaukler einem piepsenden Kücken den Hals ab. Brrrr – entsetzt wendet meine Frau sich ab. Doch es ist gar nicht so schlimm: Die Hand mit dem „Kückenkopf“ öffnet sich und heraus schaut ein höchst vergnügtes zweites Kücken. Folgende kleine Episode aber will ich nicht vergessen: Da bietet neben vielen anderen ein untersetzter dunkelbrauner Bursche seine Führung durch Alessandria an, bei jeder Ablehnung gewohnheitsmäßig billiger werdend. Wer ist’s? Herr …. Schmidt! Tatsächlich hat er als solcher auch seinen Ausweis. Mit blumenreichem Wortschwall preist er die Schönheiten der Stadt und berichtet von den Katakomben, die 5000 Jahre alt seien. Ich wende – keine Ahnung, ob es stimmt – ein, sie seien doch nur 3000 Jahre alt. Freund „Schmidt“ ist nicht etwa verlegen und meint lächelnd: „Nun, ist doch auch genug!“ Wie das Geheimnis seines deutschen Namens sich löst, habe ich nicht erfahren können. Eine zweite kleine Geschichte betrifft unseren Freund Hassan Mohamed, einen echten Araber, einen prächtig gewachsenen Burschen mit offenem Gesicht und guten Augen. Kaum war er unser gewahr geworden, tönte uns sein „Heil Hitler!“ entgegen. Er ist einmal in Bremen gewesen. Ich nahm ihm für durchaus soliden Preis 2 Serien Ansichten von Alessandria ab. Ja, und jetzt kommt das „Mirakel“: Hassan Mohamed reicht in liebenswürdiger Weise sowohl meiner Frau wie mir je ein Paar arabischer Manschettenknöpfe dar und – weist jede Bezahlung dafür mit unabweisbarer Bestimmtheit zurück. Hassan Mohamed wurde unser Freund; und in dieser Freundschaft ist nie der „Pferdefuß“ erschienen. Für 1,50 RM verkaufte er mir eine wirklich schöne Banknotentasche in Kamelleder. Nur in Form von Zigaretten nahm er einen kleinen Dank an. Und dann: Wir saßen an Bord bei Tisch. Da erschien ein Steward. Ich sah gerade noch, wie ein langes weißes Gewand eilends verschwand – Hassan Mohamed. Der Steward aber überreichte meiner Frau von „einem Araber“ einen wundervollen Strauß roter und weißer Rosen und Margeriten. Dann haben wir von unserem Freunde noch einige Aufnahmen gemacht und seine Anschrift uns geben lassen. Er soll aus der Ferne als Gruß seiner deutschen Freunde einige Bilder erhalten.
Das Gegenteil von diesem braven Burschen haben wir in Port Said kennengelernt. Einer der unzähligen – der Fremde kann sich der Händler in „echten“ Schmuckstücken, Skarabäen, Stoffen, Ansichtskarten, der Schuhputzer usw. kaum erwehren – Tabakverkäufer bot mir Tabak für meine Pfeife an. Seine Forderung von 20 Piastern erwiderte ich erfahrungsgemäß mit einem Angebot von 10 Piastern. Endergebnis des halbstündigen (darunter geht es selbst bei einer Schachtel Streichhölzer nicht) Handelns: Ich kaufte für 15 Piaster den „echt ägyptischen“ Tabak. Vornehm wie ein Fürst erschien der Händler kurz darauf und bot mir „huldvoll“ 2 Schachteln Streichhölzer als „Präsent“ dar. Das aber erschien mir als „Kenner“ verdächtig. Richtig, bald hatte ich festgestellt, daß man mir im Laden für meinen übrigens nicht etwa „ägyptischen“ Tabak nur 10 Piaster abverlangte, so daß ich ihn mit wohl 7 – 8 Piaster (6 Piaster = 1 RM.) hätte haben können. Port Said verzeichnet übrigens allgemein geradezu ungeheuerliche Preise. Man fragt sich, wie jemand zu existieren vermag, in diesem Ort, der den Eindruck macht, als sei er – noch nicht ganz fertig – vor Wochen erst aus dem Sande gestampft worden. Verkehrsschutzleute und sogar Ampeln hat Port Said. Doch was letztere sollen, ist mir nicht recht klar geworden, noch weniger wohl dem ägyptischen Schutzmann selbst, der sie bedient. Ob rot, ob grün, kein Fußgänger, keiner der ihre Ankunft mit vernehmlichem Glockenschlag ankündenden Pferdetaxen, kein Auto richtet sich danach; und nur wie zum Zeitvertreib wechselt der Polizist eben dann und wann die Lichtfarbe. Nachdem wir durch einen „Schkeper“ zunächst einmal in ein Restaurant gebracht waren, wo man uns den dreifachen Preis abnahm, aßen wir in einem zufällig aufgetanen griechischen Restaurant, deren es viele in Port Said gibt. Das Essen war gut und preiswert. Das ägyptische Bier schmeckte nicht übel, d.h. nachdem wir zuvor eine „Lage“ erst einmal zurückgewiesen hatten, weil die Gläser den Mundabdruck von „Generationen“ untilgbar an sich hatten. Viel Spaß macht es, den Uebergang des Europäers in den heißen Orient zu sehen. Das beginnt schon auf dem Schiff. Nämlich: Der Tropenhelm und der Moskitowedel! Wüßte mancher, wie „komisch“ ihm der Tropenhelm steht, zumal wo er wirklich noch nicht benötigt wird, er ließe ihn lieber „zu Haus“: denn dort soll er ja doch erst bestaunt werden. Port Said hat einen wundervollen Strand. Leider reiht sich an seiner schönsten Stelle, ganz wie am Lido vor Venedig, geschmacklose Bretterbude an Bretterbude und verleidet die Lust zu dem so ersehnten erfrischenden Bade. Trotz des Hotelbades nähme man ein solches doch so gern! Da treffen wir auf der Mole, deren Fußpunkt das Lessepsdenkmal bezeichnet, einen Inder. Er nickt mit einer Art heimlichen Einverständnisses unserem „Fritz“ – Chauffeur, Helfer in allen Nöten – zu. Was ist’s mit ihm? Auf dem Schiff schon hat er sich an „Fritz“ herangemacht, hat über unseren Hitler gezetert und Lenin und – Thälmann (!!!) in den Himmel gehoben. Seine Karte ging nicht etwa in Port Said zu Ende. Was mochte den Jünger Lenins bestimmt haben, trotzdem dort auszusteigen? Das sittliche Niveau des Getümmels aus aller Herren Ländern kennzeichnet ein ganz kleines, an sich vielleicht unbeachtliches Moment: fast alle Händler – meist übrigens Kopten, Armenier oder Griechen – bieten, wenn der Fremde ihnen durchaus nichts abnehmen will, ihm mit verschmitztem Augenzwinkern Karten mit übelsten Darstellungen an; und ihre Frechheit – in meinem Falle mit den entsprechenden arabischen Epitheta beantwortet – geht soweit, daß sie dabei nicht einmal auf die Anwesenheit einer Dame Rücksicht nehmen. Respekt hat dies „Gesindel“ heute vor dem Europäer kaum noch. Nur eine Ausnahme: Erscheinen die strammen, sauber gekleideten Gestalten der englischen Polizisten, stiebt alles auseinander und verschwindet.